Website-Icon Jennifer Freitag

Bye bye Haare, welcome Kahlkopf

Der Gedanke war ja schon lange da. Schon beim letzten großen Schub. Da hab ich mich aber noch nicht getraut. Ich dachte immer, dass mir eine Glatze nicht stehen würde. Ich weiß noch, wie ich mal bei meinem treuen Stammfriseur saß und ihn fragte, ob er das irgendwie simulieren könnte. Konnte er nicht wirklich, jedenfalls nicht so, dass ich beruhigt gewesen wäre. Und so habe ich weiter geglaubt, dass ich mit kahlem Kopf einfach nur blöd aussehen würde.

Dann kam allmählich ein bestimmter Urlaub in greifbare Nähe. Ich wollte zu einer Ausbildung in Richtung Meditation fahren. Zum Ausbildungsplan gehörten auch Yogastunden. Da ich in der Zeit davor ziemlich viel um die Ohren hatte, beschäftigte ich mich erst kurz vorher mit der Organisation. Und es dämmerte mir, dass es sehr umständlich werden würde, vor den Yogastunden immer irgendwo aufs Klo zu verschwinden, um die Kopfbedeckung zu wechseln. Für die Meditation wäre es ja egal gewesen, was ich auf dem Kopf habe, aber für Yoga hatte ich nur ein Bandana. Und das mochte ich nicht den ganzen Tag tragen. Also was tun?

Je näher die Abreise rückte, desto unbequemer wurde es. Mag sein, dass das Drama nur in meinem Kopf stattfand und in Realität gar nicht so schlimm gewesen wäre. Nur wusste ich das ja vorher nicht. In meiner Vorstellung musste ich eine Lösung finden. Und am Ende entschied ich mich dafür, die restlichen Haare abzurasieren. Ich plante, wann ich zum Elektrofachmarkt gehen würde, um einen Haarschneider zu kaufen. Ich wollte niemanden in meinem Umfeld fragen, ob ich so ein Gerät leihen könnte. Ich wollte das allein mit mir ausmachen. Um irgendwie die Glatze verheimlichen zu können, wenn sie wirklich so schrecklich aussah, wie ich befürchtete.

An dem Tag, als ich meinen Plan in die Tat umsetzen wollte, fuhr ich abends von der Arbeit nach Hause. In der S-Bahn kam mir in den Sinn, dass ich an Trennungsschmerz litt. Ich fühlte mich, als würde ich mich von einem langjährigen Partner trennen wollen und war nun auf dem Weg zu ihm, um es ihm zu sagen. Ich liebte meinen Partner immer noch. Aber die Beziehung funktionierte einfach nicht mehr. Ich war nicht mehr glücklich. Und das Loslassen fiel mir wahnsinnig schwer. Hatte ich doch lange die Hoffnung gehabt, es würde wieder besser werden. Meine Haare und ich würden wieder glücklich miteinander werden. Alles wäre wieder gut. Dieser Illusion wollte ich mich nicht länger hingeben. Stattdessen wollte und musste ich dafür sorgen, dass es mir wieder gut geht.

Als ich den Rasierer einschaltete und die erste Strähne in die Hand nahm, um sie nun abzuschneiden, war es so, als würde ich mich selbst beobachten. Eher interessiert als in emotionalem Aufruhr. Ich setzte den Apparat an, fuhr damit ein Stück weit über den Kopf und hatte die Strähne in der Hand. Aha. So sieht das also aus. Also weiter. Und weiter. Und weiter. Bis alle Haare runter waren. Ich war überrascht über mich selbst, dass ich es wirklich getan hatte. Und dann erst kamen die Tränen.

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